Mit Ruhe und Konzentration zum Meistertitel – ein Rezept, das aufgeht
Die Sensation war groß, als Leonhard Dreher 1968 mit dem deutschen Meistertitel im Zimmerstutzenschießen aus Hannover nach Mertingen zurückkehrte. Ein Erfolg, der in den nächsten 53 Jahren keinem Mertinger Schützen mehr gelang. Bis zum 1. September 2021. Letzte Woche erschoss sich Eric Salumae in München-Hochbrück mit der Großkaliberpistole .45 ACP den Meistertitel. Eine erneute Sensation für den Verein. Die Gratulationen der Vereinskollegen und Schützenkameraden nehmen wie damals kein Ende, die Begeisterung und die Freude sind groß und der Schießsport sowie der Schützenverein Mertingen wieder in aller Munde. Das Erfolgsrezept der beiden Meister allerdings könnte unterschiedlicher nicht sein. Während Dreher während seiner gesamten aktiven Schießzeit vom persönlichen Ehrgeiz zu Höchstleitungen angespornt wurde, setzt Salumae auf Ruhe und Konzentration – und das nicht nur im Schießsport.
Wie aber kommt man dazu – zu dieser inneren Ruhe gepaart mit höchster Konzentration? Seit 20 Jahren ist Eric Salumae mindestens zwei Mal pro Woche im Training im Schützenverein Mertingen anzutreffen. Die sportlichen Möglichkeiten in Mertingen schätzt er sehr. Vor allem großkalibrige Pistolen und Revolver sind seine Leidenschaft. In den Disziplinen .45 ACP, GK-Kombi, 9mm Luger, .357 Magnum, .44 Magnum erschießt er sich regelmäßig einen Platz auf dem Treppchen bei den Gaumeisterschaften. Daneben wurde er bereits mehrmals Schwäbischer Meister und erreichte bei den Bayerischen Meisterschaften 2016 in der Disziplin GK-Kombi Platz 4– sein bisher größter schießsportlicher Erfolg. Aber auch das Vereinsleben an sich spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Gespräche nach dem Training sind ihm wichtig und gemeinsame Wettkampferlebnisse mit seinen Vereinskameraden schätzt er sehr. Seit Jahren ist er Mitglied der 1. GK-Sportpistolenmannschaft der Gemütlichkeitsschützen und nimmt mit seinem Team am jährlichen Rundenwettkampf des Bezirks Schwaben teil. Ruhe und Konzentration im Wettkampf und vor allem im entscheidenden Moment erreicht der Deutsche Meister also durch regelmäßiges Training im Verein kombiniert mit Wettkampferfahrung als Einzel- und Mannschaftsschütze.
Mit dieser Routine, den sportlichen Erfahrungen, einer großen Portion Selbstvertrauen und dem persönlichen Ziel, unter die besten 25 zu kommen, fuhr der leidenschaftliche Schütze zu den Deutschen Meisterschaften 2021. Seine Gelassenheit wurde allerdings bereits bei der Ankunft am Stand auf die Probe gestellt. Während des letzten Jahres hatte man die Anlage vollelektronisch umgerüstet – Bedingungen, unter denen er noch nie trainiert hatte. Schnell erlangte er jedoch seine innere Ruhe zurück, vor allem, nachdem das Probeschießen besser als erwartet verlief. Doch dann der nächste Dämpfer: Die erste Wertungsserie war ein denkbar schlechter Auftakt für den erfahrenen Schützen. Beim ersten Wertungsschuss traf er lediglich 7 Ringe, gefolgt von drei Neunern und schließlich der ersehnten Zehn. Bereits sechs „Miese“ nach nur fünf Schuss ließen die vorderen Plätze bereits jetzt in fast unerreichbare Ferne rücken. Dann aber die Rückbesinnung des Schützen auf sein persönliches Erfolgsrezept oder mit Salumaes Worten direkt nach dem Wettkampf ausgedrückt: „Hochhalten der Konzentration und einfach darauf los, ohne viel zu überlegen oder unendlich lange hinzuhalten.“ Und es klappte. Im Präzisionsteil waren es letztlich 12 „schlechte“ Ringe, im Duell allerdings nur vier, was ein Ergebnis von 384 vorzeigbaren Ringen ergab. „Letztendlich doch ganz passabel, aber wohl nicht ausreichend für einen der vorderen Plätze“, so Salumaes Resumée nach dem letzte Wertungsschuss. Doch dann die große, völlig unerwartete Überraschung. 384 Ringe waren plötzlich ausreichend und in diesem Falle grandios, denn keiner der weiteren 49 Teilnehmer traf mehr. Die Meisterschaft war völlig unerwartet gewonnen – der Meistertitel errungen. Mit dem sicheren Sieg in der Tasche verfolgte Eric Salumae im Anschluss scheinbar wieder völlig gelassen das Stechen um die Plätze 2 bis 5, denn vier Schützen konnten die gleiche Ringzahl, nämlich 383 Ringen – nur ein einziger weniger als er selbst – aufweisen. Die beiden bayerischen Schützenkollegen Lorenz Eichinger (FS Tann) und Thomas Grall (SSV Schwabach-Roth-Hilpoltstein) erkämpften sich schließlich die Platzierungen zwei und drei. Somit standen 2021 drei bayerische Schützen auf dem Treppchen der Deutschen Meisterschaften – ganz oben der Mertinger Eric Salumae. Knapper kann eine Meisterschaft kaum entschieden werden, spannender ist kaum möglich und wie immer im Leben spielt die nicht kalkulierbare Komponente des „Dusels“ eine nicht zu verachtende Rolle. Dem sonst so in sich ruhenden Eric Salumae wird dies bei der Siegerehrung erst wirklich bewusst, als er ganz oben aufs Treppchen steigt. Ein Moment, der, wie er es selbst ausdrückt „nichts mit Ruhe und Konzentration gemein hat, sondern aufgeladen ist von Emotionen, die in diesem Moment alle auf einmal an die Oberfläche kommen: Unbändige Freude, Erleichterung, ein Gefühl des Nichtglaubenkönnens und ein kleiner Moment der Dankbarkeit ans ´Dusel´“.