Warum die Mertinger Schützen den Aufstieg nicht genießen können

Von Helmut Bissinger

Mertingens Luftgewehrteam steigt erstmals in die 2. Bundesliga auf. Nun aber verhindert die Corona-Pandemie, dass die Saison überhaupt starten konnte.

Verena Schröttle ist eigentlich eine Frohnatur. Manchmal aber wird die Mertingerin nachdenklich. Hinter ihrem Lachen verbirgt sie die größte Enttäuschung ihrer sportlichen Laufbahn: „Es ist einfach bitter“, sagt sie im Hinblick auf die Entscheidung, die Wettkämpfe in der Zweiten Bundesliga abzusagen. Die Luftgewehrschützin und ihre Mannschaftskollegen hatten sich so auf die Premiere gefreut, doch Corona hat alle Hoffnungen (vorerst) vernichtet.

Rückblende: Für die Mertinger Gemütlichkeits-Schützen und den gesamten Gau war es einer der größten Erfolge, als der Mannschaft um Eigengewächs Verena Schröttle der Aufstieg glückte. Auch da spielte Corona mit: Weil der Aufstiegswettkampf aufgrund der Pandemie im Frühjahr nicht stattfinden konnte, stiegen die Mertinger als Bayernliga-Meister auf.

Mertingen verlor nur drei Wettkämpfe in der Bayernligasaison

Zunächst konnte die Rundenwettkampfsaison vor Beginn der Krise und der damit verbundenen Beschränkungen gerade noch abgeschlossen werden: für Mertingen so erfolgreich und hart verdient wie nur möglich, nämlich auf Platz eins in der Tabelle. Mit nur drei verlorenen Wettkämpfen schossen sich Verena Schröttle, André Sauter, Thomas Muxel, Denis Nowey, Maria-Theresia Eckert, Alexander Strasser und Katharina Hafner an die Spitze der acht Mannschaften der Bayernliga-Gruppe vier Südwest.

Das Team hatte auch den Bund München III hinter sich gelassen, der zwar insgesamt mehr Gesamtpunkte, aber einen Mannschaftssieg weniger aufweisen konnte. Davon abgesehen ist diese Mannschaft nicht aufstiegsberechtigt, da bereits der Bund II in der Zweiten Bundesliga schießt. Das aktuelle Reglement sieht es nicht vor, dass zwei Mannschaften aus einem Verein in einer gemeinsamen Liga ab der Bayernliga schießen.

Nach dem Aufstieg war die Motivation in Mertingen groß

Jetzt wäre Mertingens erste Garde eigentlich zusammen mit sieben anderen Mannschaften (aus jeder Gruppe die beiden Besten) zum Aufstiegskampf gefahren. Bei diesem Wettbewerb werden in der Regel zwei Wettkämpfe geschossen. Aus deren Ergebnis ergibt sich dann eine Gesamtplatzierung. Von den acht teilnehmenden Mannschaften steigen die beiden Sieger in die Zweite Bundesliga auf. So das übliche Vorgehen.

Diesmal war es allerdings anders. „Mertingen schießt in der Zweiten Bundesliga“, lautete die Mitteilung des Verbands an Schützenmeister Christoph Schaible. Ein riesiger Erfolg für das Team und den gesamten Verein.

„Die Motivation war groß“, berichtet Verena Schröttle, deren Vater Bernd die Mannschaft trainiert. „Wir haben einen großen Zusammenhalt“, berichtet sie. Das sei toll und nicht überall so. Auch im Schießsport würden die Teams mittlerweile bunt zusammengewürfelt. „Abwerben gehört dazu“, sagt die junge Schützin.

Luftgewehrschützen haben 40 Schuss im Rundenwettkampf

Nach dem Wettkampf wird bei den Schützen gerne noch ein wenig gefachsimpelt. Für gewöhnlich sitzen Heim- und Gastverein über fast alle Klassen hinweg gemeinsam am Tisch und diskutieren noch eine Weile. Aus diesem Miteinander schöpft Schröttle die Kraft und die Konzentration für ihren Sport.

40 Schuss haben die Luftgewehrschützen im Rundenwettkampf. Schon ein oder zwei Fehlschüsse reichen aus, um sich und seine Mannschaft um ein gutes Resultat zu bringen. „Aber auch ausreichend Kondition, Ausdauer und Mentalität sind gefordert“, berichtet Verena Schröttle.

Der Verband hat wegen der Pandemie die Bundesligasaison abgesagt. In der Zweiten Bundesliga wären die Schützen der Gemütlichkeit Mertingen nach ihrem Aufstieg natürlich voll motiviert angetreten. Bedenken habe es dort zumindest keine gegeben, betont der Vorsitzende Christoph Schaible: „Wir hätten gerne geschossen, und bei uns wäre es auch problemlos möglich gewesen, die Hygieneregeln einzuhalten.“

Den erhöhten Aufwand hätte der Aufsteiger laut Schaible sehr gerne in Kauf genommen, nun müsse man sich mit der Entscheidung abfinden: „Unsere Schützen trainieren ganz normal weiter. Auch wenn sie natürlich traurig sind, keine Bundesligawettkämpfe in dieser Saison absolvieren zu dürfen.“

Die Vorfreude in Mertingen ist nach wie vor groß

„Mithalten“ wäre die Devise in der Zweiten Bundesliga gewesen, sagt Verena Schröttle. Dass es nun natürlich schwer sei, motiviert zu bleiben, könne jeder nachvollziehen. Dennoch: Schon jetzt freut sie sich mit ihren Mannschaftskollegen auf die nächste Saison und den ersten Bundesliga-Wettkampf vor heimischem Publikum.

Verena Schröttle trainiert mehrmals die Woche – auch weiterhin. Leider sei derzeit kein Mannschaftstraining möglich, das „in jedem Fall wichtig ist“. Und es gibt Alternativen: Alle Schützen rüsteten sich schon im Frühjahr beim ersten Lockdown privat mit der neuesten und nicht ganz billigen, aber dafür umso effektiveren Technik aus. Sie trainieren beinahe täglich mit einem sogenannten „Scatt-System“.

Dabei wird eine Kamera auf dem Gewehr installiert. Diese nimmt die Trockenschüsse auf eine banale Papierscheibe oder einen Messrahmen per Schall auf und zeigt dem Trainierenden über den Computer den Schussablauf bis ins kleinste Detail an: die Bewegungen beim Zielen, den eigentlichen Schuss (per Trockenabzug) und schließlich den Ablauf nach dem Schuss. Somit kann jede kleinste Bewegung analysiert, verbessert, erneut ausgeführt und schließlich perfektioniert werden.

Gemütlichkeit Mertingen hat jetzt auch einen Mentaltrainer

Thomas Muxel, Katharina Hafner, Alexander Strasser, Maria Theresia Eckert, André Sauter, Dennis Nowey, Verena Schröttle und Neuzugang Patrick Müller hoffen jetzt auf 2021. „Papa für alles“ ist Bernd Schröttle. Er ist Mannschaftsführer und Manager. Neu für die Mertinger im Einsatz ist als Mentaltrainer Alfons Kraus aus Mintraching.

Ungeachtet der Umstände seien alle im Verein mit seinen 312 aktiven Mitgliedern „riesig stolz“, sagt Schützenmeister Schaible. Der erste Heimkampf hätte am 6. Dezember über die Bühne gehen sollen – mit einer eigenen Zeitung und Attraktionen für die Zuschauer.